• Gegen die Institutionalisierung des Hotspot-Systems (Internierung Asylsuchender in geschlossenen Lagern) und Inhaftierung ohne Straftat
  • Gegen die erweiterte Drittstaatenregelung, die eine Abschiebung in andere (nichteuropäische) Länder erlaubt, wenn in deren Heimatland nicht abgeschoben werden kann, und die (menschen-)rechtlichen Standards für solche Drittländer senkt
  • Gegen Angriffe auf autonome Strukturen von Menschen on the Move und Solidarisierten in Griechenland und auf die Seenotrettung im Mittelmeer

Die (eigentlich seit mindestens einem Jahr unter dem Namen New Pact on Migration and Asylum vorbereiteten) Änderungen am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) institutionalisieren und legalisieren das schon an verschiedenen Orten (wie den griechischen Inseln Lesbos und Samos) praktizierte Hotspot-System, das Menschen zwingt, zusammengepfercht in Lagern, meist fernab der Zivilisation für Monate auszuharren und auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge zu warten. Dort ist der Zugang zu Informationen über das Asylverfahren und zu Rechtsbeiständen deutlich eingeschränkt, was den Menschen die Chance auf Asyl deutlich erschwert.
Des Weiteren wird nun die Abschiebung in Drittländer ermöglicht, die die Migrant*innen mutmaßlich bereist hätten. Dies stellt die Legalisierung und Ausweitung des Türkei-Deals dar, mit dem bisher hauptsächlich syrische Geflüchtete, die durch die Türkei kamen, dorthin zurück abgeschoben werden.
Zudem wurde selbst die humanitären Anforderungen, z.B. dass das Land die Genfer Konvention ratifiziert habe, gegen weit mindere Anforderungen an menschenrechtliche Standards im Empfängerland eingetauscht. Die Türkei beispielsweise schiebt selbst Geflüchtete zurück nach Syrien oder Afghanistan ab. Menschen, denen in diesen Heimatländern Verfolgung droht, wären teilweise von Kettenabschiebungen bedroht, und könnten ihr Recht auf Asyl und Schutz dann trotz dem investierten Geld für die Reise und all der Widrigkeiten nicht in Anspruch nehmen.

Diese neuen Gesetze, die Menschen in unwürdigen Bedingungen leben lassen und die internationale Verantwortung für den Schutz geflüchteter Menschen auf andere Länder abzuwälzen versuchen, sind ein direkter Angriff auf die Menschenrechte und werden selbst von bürgerlichen Institutionen wie der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen verurteilt. Sie kommen in Zeiten, in denen mit dem andauernden syrischen Bürgerkrieg, dem aufflammenden Krieg zwischen der Hamas und Israel und den Konflikten in dem dank Klimawandel austrocknenden Sahel, Millionen Menschen in unserer Nachbarschaft ihre Heimat zum Schutz ihres Lebens verlassen müssen, und bürden diese Verantwortung alleinig den viel ärmeren Nachbarländern auf.

Schluss damit! Das reiche Europa hat den Platz und die Ressourcen, um diesen Menschen ein lebenswürdiges Leben zu ermöglichen.

Zudem verurteilen wir, wie die Staaten in Südeuropa gegen autonome Strukturen vorgehen, die Geflüchtete mit Lebenswichtigem versorgen – wofür die Staaten eigentlich die Verantwortung tragen müssten, und damit meinen wir auch die reichen nord- und westeuropäischen Staaten, die ihre ärmeren südlichen Geschwisterorganisationen derzeit mit der Verantwortung alleine lassen.
Wir wollen ein solidarisches und antiautoritäres Europa!

Hier einige Worte, die uns ein griechischer, in Tübingen wohnhafter Mitstreiter von vor Ort schickte:

„In den letzten zwei Wochen hat der griechische Staat 5 **Stekia** angegriffen. Zunächst wurden die besetzten Häuser in Ano Kato und Zizania geräumt. Dann griffen sie das Steki in Polytechnio an, wo sie Menschen verprügelt haben. Gestern, am Montag, fanden sie die queer-Steki Kaliarda geräumt vor und heute, am 5. September 2023, griffen sie das besetzte Haus Notara an und stellten den Strom ab. (Die Besetzung Notara hat in St. Imier teilgenommen, sie haben Transparente aufgehängt, während Krav Boca gespielt hat)

Wir sind nicht beeindruckt von der Tatsache, dass der Staat politische anarchistische Zellen angegriffen hat. Das Problem ist, dass heute seit 20 Tagen der Wald in Evros ununterbrochen brennt (fast eine Million Hektar wurden vollständig zerstört), Samothraki (eine Insel zwischen Evros und Lesbos) war vier Tage lang ohne Strom, 26 Migranten wurden verkohlt aufgefunden, 25 Migranten wurden von subventionierten wannabe-Rambo-Bürgern unter dem unbegründeten Vorwurf der versuchten Brandstiftung entführt. Anstatt also das politische System zu reparieren, was es zerstört hat, löst es auch die bestehenden Formen der Solidarität in Athen auf und bereitet sich auf die Kommunalwahlen im Oktober vor.

(**Steki** bedeutet etwas wie Stammplatz oder selten Stammtisch und es ist oft benutzt für einen anarchistischen Ort oder ein besetztes Haus, wo Leute sich miteinander treffen.)“

Solche Angriffe finden auch von der neuen faschistischen Regierung Italiens auf z.B. zivile Seenotrettungsgruppen statt. So führte sie ein Verbot von Mehrfachrettungen ein, welches ein Schiff der Organisation Open Arms zu Ende August 2023 brechen musste, da es als einziges Schiff in der Nähe eines Boots in Seenot mit fast 200 Menschen darauf war – obwohl es eben zuvor anderen Schutzbedürftigen geholfen hatte. Diese Regelungen stehen entgegen internationalem Seerecht und jeder menschlichen Moral.

Außerdem bemüht sich diese extrem-rechte Regierung mit anderen europäischen Regierungen aller Couleur, bis hin zu den sich als progressiv darstellenden Vertreter*innen unserer Ampelregierung, darum, die Migrationsbekämpfung nach Nordafrika und in die Sahelstaaten vorzuverlegen.
Dabei haben die europäischen Regierungen keine Skrupel mit diktatorischen und autokratischen Regimes wie dem Diktator al-Sisi in Ägypten, dem Königreich Marokko und der Türkei, und auch mit menschenverachtenden Milizen wie der libyschen Küstenwache und den sudanesischen Warlords zusammenzuarbeiten und festigt damit deren Schreckensherrschaft.

Das muss aufhören! Die „wertegeleitete Außenpolitik“ ist eine pure Floskel – sie wahr zu machen hieße:

– Menschenrechte und Demokratie wirklich oben anzustellen, unabhängig davon ob die Länder sich im geopolitischen Gerangel für oder gegen „uns“ positionieren,
– faire Handelsbedingungen zu schaffen,
– keine Waffen in Krisengebiete zu liefern,
– menschliche Entwicklung zu fördern
– und den Klimawandel, der schon heute in breiten Teilen Westasiens und Afrikas zu Konflikten führt, durch Emissionsreduktion zu bekämpfen und die geschichtlich benachteiligten Länder in Anpassungsmaßnahmen (großzügig finanziell) zu unterstützen.

Da, trotz Selbstbeschreibungen wie grün oder sozial in den Parteinamen unserer Regierung, keine Anstalten gemacht werden, eine solche Politik mittelfristig zu verwirklichen, müssen wir uns von unten organisieren, um gemeinsam, ob nun auf der Suche nach Schutz und menschenwürdigem Leben gekommen oder schon immer da gewesen, ein schönes – oder zumindest aushaltbares! – Leben für alle zu ermöglichen.
Die Gitterstäbe des großen Käfigs, der das kapitalistische System für uns ist, werden wir zerreißen und Brücken damit bauen. One world, one love – fight authority!

Quellen und weiterführendes:

Open Arms und die Kriminalisierung der Seenotrettung:
https://www.openarms.es/en/news/20-day-blockade-and-sanction-on-open-arms-after-disembarking-195-rescued-people-at-italian-port

z.B bei ProAsyl:
https://www.proasyl.de/news/faq-zur-geplanten-reform-des-gemeinsamen-europaeischen-asylsystems-geas/
https://www.proasyl.de/news/haftlager-an-den-aussengrenzen-und-abschiebungen-in-drittstaaten-ist-das-die-zukunft/

Presse:
Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/politik/europaeisches-asylsystem-geas-eine-festung-zur-europawahl-92739484.html